Die Pandemie gab den Wachstumsimpuls

10.06.2021

Können Sie uns bitte die Hauptfaktoren für das Umsatzwachstum Ihrer Unternehmensgruppe im letzten Jahr nennen?

So seltsam es klingen mag, den Wachstumsimpuls gab die Pandemie. Während der Quarantänebeschränkungen ruhte das Geschäft unserer Kunden nicht und wir mussten uns ständig anpassen: in Kontakt bleiben, einen reibungslosen Dokumentenaustausch sicherstellen und Berichte rechtzeitig einreichen. Wir mussten lernen, unter neuen Bedingungen zu arbeiten, flexibler und effektiver zu werden und somit uns zu verändern und zu wachsen.
Während des Lockdowns, als interne Buchhalter aus der Ferne arbeiteten, änderten viele Unternehmen ihre Einstellung zur Auslagerung von Buchhaltungsfunktionen. Die Buchhaltung, die nicht im Büro zur Hand ist, ist alltäglich geworden – dies hat Unternehmen dazu gebracht, sich nach einem professionellen Dienstleister umzusehen. Ich freue mich, dass sich viele für uns entschieden haben.
Als zweiten Faktor möchte ich die Bewegung in Richtung Digitalisierung in Russland nennen, die vom Staat aktiv unterstützt wird. Zum Beispiel, ein Experiment zum elektronischen Personalaktenverkehr, das 2020 vom russischen Arbeitsministerium gestartet wurde. Unser Softwareprodukt Client Login wandelt die Personalaktenverwaltung in elektronische Form um und ermöglicht den rechtlich wirksamen Verkehr von Personalakten. Durch die Abkehr vom Papierkram wird die Interaktion mit einem Dienstleister für das Buchhaltungsoutsourcing schneller und transparenter.

Im Jahr 2020 sprachen Sie über eine neue Spirale der Automatisierung, das große Potenzial zur Reduzierung von Kontaktprozessen sowie über die wachsende Nachfrage für die Beurteilung der Effektivität von Geschäftsprozessen und deren Optimierung. Wie steht es jetzt mit diesen Bereichen – werden solche Dienstleistungen angefragt, was bietet Ihr Unternehmen für diese Kundenzwecke an?

Das Geschäft ist viel pragmatischer geworden: Kunden versuchen zu verstehen, wie effektiv die Interaktion in ihren Teams ist, für welche Aufgaben die Nutzung firmeninterner Kapazitäten günstiger ist und wo ein Dienstleister eingesetzt werden muss. Dies hat ein starkes Interesse an unserem Angebot zur Beurteilung der Effektivität von Geschäftsprozessen geweckt.

Wir analysieren die für den Kunden wichtigen Prozesse, erkennen Schwachstellen, geben Empfehlungen zur Optimierung und Effizienzsteigerung. Dabei erfordert eine wesentliche Effizienzsteigerung nicht immer erhebliche Investitionen. So stellten wir beispielsweise beim Projekt für einen internationalen Bau- und Forstmaschinenhersteller fest, dass einige Mitarbeiter technische Dokumente (Standardformulare) manuell ausfüllen, anstatt die längst vorhandene Funktion der automatischen Erstellung solcher Formulare zu nutzen. Der Grund stellte sich als ziemlich banal heraus. Die Abteilung verfügte über einen gemeinsamen Drucker, der von allen Mitarbeitern genutzt wurde. Wegen der sich oft ändernden Druckereinstellungen rutschten die Zeilen in den Formularen der technischen Dokumentation nach unten und dadurch wurden die Formulare unbrauchbar. Die Lösung, ein separater Drucker mit konstanten Einstellungen für Mitarbeiter, die für die technischen Dokumente verantwortlich sind, kostete dem Unternehmen etwa 20.000 Rubel und ermöglichte es, 70% Zeit mehrerer Mitarbeiter frei zu machen.

Welche Anti-Krisen-Dienstleistungen haben Sie Ihren Kunden im Jahr 2020 angeboten und bieten sie auch heute noch an? Was bringen solche Dienstleistungen dem Kunden? Bitte geben Sie ein kurzes Beispiel für ein typisches Projekt.

Im Jahr 2020 haben wir ein deutlich gestiegenes Interesse am Übergang zur Digitalisierung festgestellt. Das ist logisch. Wenn Offline-Shops geschlossen sind, bieten Online-Plattformen die einzige Möglichkeit zum Verkaufen. Aber eine solche Umstellung auf den Online-Vertrieb erforderte von unseren Kunden erhebliche Veränderungen: Sie mussten ihre Geschäftsprozesse neu aufbauen und an das E-Commerce-Modell anpassen. Viele mussten ihre IT-Infrastruktur nachbearbeiten, beispielsweise um sie in beliebte Marktplätze zu integrieren.
Unser Nischen-Anti-Krisen-Angebot, ein Paket aus drei Dienstleistungen (Buchhaltungsunterstützung, Rechtsunterstützung und Interim Management), stellte die Geschäftskontinuität sicher und erwies sich bei internationalen Kunden als sehr gefragt. Trotz geschlossener Grenzen, als CEOs nicht nach Russland kommen konnten, funktionierte das Geschäft weiter: Verträge mit Geschäftspartnern wurden abgeschlossen, ein rechtlich wirksamer Dokumentenverkehr mit Behörden sichergestellt – gleichzeitig absolut transparent für die Kunden und in voller Übereinstimmung mit ihren Bedürfnissen.
Im Jahr 2020 sind viele Kunden, die vorher nur einen Teil ihrer Funktionen ausgelagert haben, auf das komplette Buchhaltungsoutsourcing umgestiegen. In der Nachfragestruktur sehen wir auch ein verstärktes Interesse an der kompletten Auslagerung von Buchhaltungsaufgaben. Gleichzeitig ist die Integration zwischen dem Projektteam und dem Kunden wie nie zuvor zugenommen. Wir haben mehrere große Projekte, bei denen wir voll in die Geschäftsprozesse des Kunden eingebunden sind und ein Teil des Teams sind. Dabei sind wir flexibler als ein eingestellter Mitarbeiter, der Kunde muss sich keine Sorgen um unsere Krankheiten, Urlaub, diverse unvorhergesehene Situationen machen, wir sind immer erreichbar, immer in Kontakt über alle möglichen Kanäle.

Was sind Ihrer Meinung nach die Haupttreiber, die derzeit den Beratungsbedarf prägen, was ist dabei am stärksten gefragt? Ist die Automatisierung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen nach wie vor beliebt? Gibt es neue Richtungen bei der Optimierung des Kundengeschäfts?
(Hintergrund: Im Allgemeinen war bis 2020 das Streben nach Effizienz und Optimierung besonders sichtbar. Gibt es etwas Neues, und das auch im Hinblick auf die Ereignisse des Jahres 2020? So ergaben sich zum Beispiel Möglichkeiten zum Geschäftsausbau durch Insolvenzen und in diesem Zusammenhang stieg die Nachfrage nach entsprechenden Dienstleistungen).

Im Jahr 2020 ist der Trend zur allgemeinen Digitalisierung nur noch gewachsen. Neu in diesem Jahr war vielleicht das Interesse von kleinen und mittelständischen Unternehmen an digitalen Tools. Für kleinere Unternehmen geht es bei der Effizienzsteigerung mit digitalen Technologien nicht nur um Gewinnsteigerung, sondern oft auch um das Überleben des Unternehmens. Gleichzeitig wurde den Kunden allmählich klar, dass es bei der Digitalisierung nicht nur um große Konzerne geht.
Ja, die Digitalisierung betriebsspezifischer Schlüsselprozesse ist oft ein sehr umfangreicher und ressourcenintensiver Prozess, aber es gibt eine ganze Reihe von Betriebsabläufen, die für ver-schiedene Branchen fast schon Standard sind. Dies sind zum Beispiel Personalaktenverwaltung, Buchhaltung und andere. Ihre Umwandlung in die elektronische, papierlose Form ist mit Hilfe von Out-of-the-Box-Lösungen realisierbar und erfordert keine erheblichen Investitionen.
Diese Out-of-the-Box-Lösungen verbinden Menschen, Prozesse, Informationen und Technolo-gien, um eine höhere betriebliche Effizienz zu erreichen, die Produktivität zu steigern, Vorschrif-ten und Gesetze einzuhalten und vor allem das Unternehmen anpassungsfähig zu machen.

Was ist der Grund für die Nachfrage nach dem Buchhaltungsoutsourcing im letzten Jahr? Welche Leistungen waren besonders gefragt, womit sind sie verbunden und was geben sie dem Kunden im Endeffekt?

Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Anzahl unserer Projekte mit dem kompletten Buchhaltungsoutsourcing gestiegen. Das liegt einerseits am globalen Trend des Übergangs zum Servicemodell, wenn ein Unternehmen die Ausführung einiger nicht zum Kerngeschäft gehörender Prozesse einem professionellen Anbieter überträgt. Anderseits ist es in vielerlei Hinsicht natürlich der Pragmatismus, den ich vorhin erwähnt habe. Ein eigestellter Mitarbeiter bringt regelmäßige Ausgaben mit sich. Sie können weder das Gehalt eines Buchhalters kürzen noch die Pflichtabgaben von seinem Gehalt reduzieren, wenn Ihr Geschäftsvolumen zurückgegangen ist. Und beim schnellen Wachstum kann es schwierig sein, an einen Mitarbeiter die Aufgaben einer ganzen effektiven Abteilung zu übertragen.
Ein Dienstleister bietet dagegen vollständige Vorhersehbarkeit, Flexibilität und Verwaltbarkeit. Je nach Größe Ihres Unternehmens können Sie die Höhe der Ausgaben für die Dienstleistungen variieren. Wir haben diese Schwankungen zwischen dem Rückgang und dem Wachstum bei unseren Kunden während der Pandemie mehrmals beobachtet. Und als Geschäftspartner haben wir uns angepasst, indem wir die den Preis für Dienstleistungen basierend auf dem realen Geschäftsvolumen gesenkt oder erhöht haben.

Welche Schwierigkeiten hatten Ihrer Meinung nach ausländische Unternehmen in der Russischen Föderation während der Pandemie und ob sie Auswirkungen auf die Auslagerung von Finanzfunktionen hatten? Haben Sie einen Rückgang von Anfragen ausländischer Unternehmen festgestellt und umgekehrt – hat es eine Zunahme von Anfragen nach Dienstleistungen seitens russischer Unternehmen gegeben?

Ich würde sagen, dass das Auslandsgeschäft in Russland eher von der Politik beeinflusst wird als von der Pandemie. In den letzten Jahren sehen wir immer weniger neue internationale Unternehmen auf dem russischen Markt. Gleichzeitig begannen ausländische Unternehmen, die bereits in Russland tätig sind, Outsourcing-Dienstleistungen aktiver zu nutzen. Bis zum letzten Jahr betrachteten wir russische Unternehmen grundsätzlich nicht als unsere potenziellen Kunden. Wir haben immer geglaubt, dass unser Schwerpunkt beim Buchhaltungsoutsourcing gerade darin liegt, als Bindeglied zwischen dem Unternehmen in Russland und dem Hauptbüro in Europa zu fungieren. Letztes Jahr aber haben wir uns dem russischen Geschäft zugewandt. Dies ist vor allem auf die Einführung unserer Lösung Client-Login zurückzuführen.
Client Login ist die vollständige Übertragung der Personalaktenverwaltung in elektronische Form. Je nach der Tätigkeitsart des Unternehmens sehen die russischen Arbeitsgesetze 40 bis 60 Arten von Personalakten vor. Dieser umfangreiche und standardisierte Dokumentenfluss kann in elektronische Form umgewandelt werden, und aufgrund der aktuellen Gesetzesänderungen wird allmählich die Pflicht abgeschafft, die Dokumente parallel auf Papier zu erstellen. Durch den Verzicht auf den Papierkram können die Risiken erheblich reduziert, die Weitergabe und Bear-beitung von Informationen beschleunigt und bis zu 40% Kosten für die Personalaktenverwaltung eingespart werden.

Welche Faktoren bremsen Ihrer Meinung nach derzeit die Entwicklung des Buchhaltungsoutsourcings? Wie sind Ihrer Meinung nach die kurzfristigen Aussichten für diesen Dienstleistungssegment (bis Ende 2021)? Wird die Entwicklung dieses Segments staatlich gefördert?

Generell ist unser Marktsegment recht stabil, ich sehe keine Voraussetzungen für kurzfristige große Veränderungen. Was die wachstumshemmenden Faktoren betrifft, so sind nicht alle Unternehmen psychologisch bereit, die Buchhaltung auszulagern. Die Gründe dafür sind natürlich bei jedem anders. Aus meiner Erfahrung ist das Outsourcing definitiv nicht für Unternehmen geeignet, deren Geschäftsprozesse nicht gut strukturiert sind. Wenn das Unternehmen mit einem Dienstleister zusammenarbeitet, handelt es sich um ein klar geregeltes Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Sind die Geschäftsprozesse des Kunden nicht gut definiert und festgelegt, bleiben beide unzufrieden.
Die Marktaussichten sehe ich eher positiv: Wir erleben jetzt eine zunehmend aktive Durchdringung des elektronischen Dokumentenverkehrs in verschiedene Tätigkeitsbereiche. Dies belebt den Markt des Buchhaltungsoutsourcings – sowohl dem Anbieter als auch dem Kunden wird die Arbeit erleichtert. Es werden zunehmend rechtmäßige Wege in der Geschäftswelt bevorzugt, und somit werden für manche die Hindernisse für die Übertragung von Buchhaltungsaufgaben auf einen Auftragnehmer beseitigt.

Lassen sich die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Beratungsbranche und insbesondere auf das Buchhaltungsoutsourcing feststellen? Wie zeigt sich das?

Dieser Einfluss ist meiner Meinung nach nicht zu leugnen. Die Interaktion zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer hat sich komplett verändert. Der Dokumentenverkehr hat sich geändert. Wir haben Kunden, die wir noch nie live kennengelernt haben, aber das hindert unsere Mitarbeiter nicht daran, vollwertige Mitglieder ihres Teams zu sein. Die Dienstleistungen der Dokumentenverarbeitung sind längst in die Kategorie der Commodity übergegangen, in diesem Segment herrscht ein enormer Preiswettbewerb. Und immer wichtiger wird die Beratung, die korrekte und effiziente Abwicklung von Transaktionen.

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