IT-Branche in Russland: Übersicht der rechtlichen Regelungen

23/12/2021

Die IT-Branche gehört seit den letzten Jahren zu den sich am dynamischsten entwickelnden und perspektivreichsten Zweigen der russischen Wirtschaft. Auch während der Corona-Pandemie sind die Umsätze und Gewinne der IT-Marktteilnehmer weiter gestiegen. Russland ist zu einem wichtigen Standort für Softwareentwicklung auf dem globalen IT-Markt aufgestiegen und exportiert immer mehr vor Ort entwickelte Softwareprodukte ins Ausland.

Die russische Gesetzgebung im IT-Bereich setzt auch ihre Entwicklung aktiv fort und passt sich an den sich schnell wechselnden Markt an. 

Unter den zuletzt in Kraft getretenen Änderungen ist die Einführung beispielloser Steuervergünstigungen für im IT-Sektor tätige Unternehmen hervorzuheben, deren Gewährung jedoch die Erfüllung einer Reihe von zwingend erforderlichen Bedingungen voraussetzt.

Ausländische Unternehmen, die ihre Softwareprodukte auf dem russischen Markt vertreiben, müssen spezifische Anforderungen des russischen Rechts im Rahmen der Importsubstitutionspolitik berücksichtigen. Diese Anforderungen betreffen sowohl die Unternehmensstruktur einer russischen Gesellschaft, die als Lieferantin der Software auftritt, als auch die von ihr zu schließenden Verträge, deren Erfüllung für die Lieferung der von dieser Gesellschaft entwickelten IT-Produkte im Rahmen der Vergabe von staatlichen Aufträgen zwingend erforderlich ist.

Unternehmen, deren Arbeitnehmer, Vertragspartner bzw. Kunden russische Staatsbürger sind, müssen darüber hinaus spezifische Anforderungen des russischen Rechtes in Bezug auf die Lokalisierung der Vorgänge im Zusammenhang mit Sammeln, Bearbeitung und Aufbewahrung personenbezogener Daten auf sich in Russland befindlichen Servern berücksichtigen.

SCHNEIDER GROUP freut sich, Ihnen hiermit diese Broschüre zu präsentieren, die eine Übersicht der für die IT-Branche in Russland relevanten aktuellen Regelungen und Novellen des russischen Rechts mit Kommentaren unserer Rechts- und Steuerexperten enthält.

Aus den Erfahrungen der russischen Büros der SCHNEIDER GROUP können wir feststellen, dass immer mehr IT-Unternehmen – sowohl russische als auch ausländische – zu unseren Mandanten zählen, die wir bei der Personalsuche und Personalüberlassung, beim Eintritt in den russischen Markt sowie bei der Strukturierung und nachfolgenden umfassenden Unterstützung der Geschäftstätigkeit in rechtlichen, steuerlichen und buchhalterischen Angelegenheiten betreuen. 

Wir hoffen, dass diese Broschüre Ihnen bei der richtigen Strukturierung Ihres IT-Geschäftes in Russland sowie beim Erhalt der möglichen Steuervergünstigungen behilflich sein wird und eventuelle Fehler und Verluste wegen der Unkenntnis der Besonderheiten des russischen Rechtes vermeiden lässt. 

Die Experten der SCHNEIDER GROUP würden sich freuen, ihre Erfahrungen mit Ihnen zu teilen sowie umfassende Unterstützung in allen Angelegenheiten bei der Geschäftstätigkeit in Russland anbieten zu dürfen.

1. Rechtliche Regelung

Die Nutzung von Informationstechnologien in Russland wird grundsätzlich durch das Föderale Gesetz „Über Information, Informationstechnologien und Informationsschutz“ Nr. 149 vom 27. Juli 2006 (nachfolgend „Informationsgesetz“) geregelt. Dieses Gesetz beinhaltet insbesondere Definitionen im Zusammenhang mit der Internetnutzung und setzt grundsätzliche Einschränkungen diesbezüglich fest.

In Ergänzung zum Informationsgesetz werden einzelne Tätigkeitsaspekte, die die Nutzung von Informationstechnologien voraussetzen, auch durch fachspezifische Rechtsakte geregelt, insbesondere durch das Zivilgesetzbuch der RF (nachfolgend "ZivilGB RF") sowie föderale Gesetze „Über die Werbung“, „Über den Wettbewerbsschutz“, „Über personenbezogene Daten“, „Konsumentenschutzgesetz“ und „Über Fernmeldewesen“.

Die zuständige Behörde, die hauptsächlich Kontrolle und Aufsicht im Bereich der IT-Technologien ausübt, ist der Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich des Fernmeldewesens, der IT-Technologien und der Massenkommunikationen (Roskomnadzor). In letzter Zeit werden jedoch immer mehr Befugnisse in diesem Bereich auch dem Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) eingeräumt.

2. Digitale Rechte

Die digitalen Rechte wurden im russischen Recht erst seit 2019 mit dem Artikel 141.1 ZivilGB RF geregelt. Zu diesen Rechten gehören im Gesetz als solche bezeichnete schuldrechtliche Forderungen und andere Rechte, deren Inhalt und Ausübungsbedingungen gemäß den Vorschriften des jeweiligen Informationssystems bestimmt werden, das den gesetzlich festgelegten Merkmalen entspricht. 

Derzeit werden zwei Arten der digitalen Rechte durch die Gesetzgebung vorgesehen: utilitarische digitale Rechte und digitale Finanzaktiva. 

Zu den ersten gehören das Recht, die Sachüberlassung, die Übergabe von ausschließlichen Rechten und (oder) von Nutzungsrechten an Ergebnissen der geistigen Tätigkeit sowie die Leistungs- und (oder) Dienstleistungserbringung anzufordern. 

Die digitalen Finanzaktiva umfassen Geldansprüche, Möglichkeiten zur Ausübung der Rechte aus den Emissionswertpapieren, der Beteiligungsrechte am Kapital von nichtöffentlichen Aktiengesellschaften sowie das Recht, die Überlassung bestimmter Emissionswertpapiere anzufordern. 

Betreiber der Informationssysteme, in deren Rahmen die Ausgabe, die Erfassung und der Verkehr der aufgeführten digitalen Rechte (unter anderem der Investitionsplattformen) erfolgt, sind in ein spezielles Register aufzunehmen, das durch die Bank Russlands geführt wird, die die Aufsicht über die Tätigkeit dieser Betreiber ausübt.

3. Kryptowährung 

Das russische Recht erkennt zwar das Bestehen von Kryptowährungen (digitalen Währungen) an, schränkt jedoch deren Umlauf radikal ein und verbietet die Bezahlung von Waren, Leistungen und Dienstleistungen mit der digitalen Währung. Zugleich wird die digitale Währung in Insolvenzfällen und im Rahmen von Zwangsvollstreckungsverfahren als Vermögen eingestuft, aus welchem die Gläubigerforderungen befriedigt werden können.

4. Gesetz zur Isolierung von Runet

Am 1. November 2019 trat das Föderale Gesetz Nr. 90-FG vom 1. Mai 2019 in Kraft, welches das Föderale Gesetz „Über Fernmeldewesen“ und das Informationsgesetz abändert und die Gewährleistung eines autonomen Betriebs des russischen Internetsegmentes bei Entstehung einer Außengefahr zu dessen Ziel erklärt. 

Zum Zwecke des Schutzes gegen diese Außengefahren wurden die Mobilfunk- bzw. Festnetzbetreiber gesetzlich dazu verpflichtet, die Installierung und die Möglichkeit des Betriebs von technischen Anlagen zur Gegenwirkung der eventuellen Gefahren für die Integrität, Stabilität und Sicherheit des Internetbetriebs sicherzustellen. Die technischen Anlagen werden dabei an den Radiofrequenzdienst bei Roskomnadzor übertragen, von diesem in Betrieb gesetzt und ferngesteuert. 

Darüber hinaus übt Roskomnadzor die Zentralsteuerung von jeweiligen Netzwerken aus, einschließlich der Bereitstellung des Internets für Mobilfunk- bzw. Festnetzbetreiber über technische Gegenwirkungsanlagen, wenn Gefahren für den Betrieb des Internets auf dem Gelände der Russischen Föderation aufgedeckt werden. Die aufgeführten Gefahren können durch das Ministerium für digitale Entwicklung, Telekommunikation und Massenmedien der Russischen Föderation (Minzifry), Roskomnadzor und den Föderalen Sicherheitsdienst der Russischen Föderation aufgrund von Ergebnissen der Einsatzübungen bzw. der vorgenommenen Untersuchungen festgestellt werden. 

Es wurden bislang keine Gefahren für den Internetbetrieb aufgedeckt, jedoch sind russische Benutzer darüber besorgt, dass das Gesetz zwecks der Einschränkung der Nutzung von außerhalb Russlands veröffentlichten Informationen verwendet wird.

5. Vorinstallierung russischer Software

Am 1. April 2021 sind Anforderungen bezüglich der zwingenden Vorinstallierung einer russischen Software auf einigen Arten von technisch komplizierten Endgeräten (Smartphones, Tablett-PC, Smart TV und PC) in Kraft getreten. 

Das Verzeichnis der russischen Software, die vorinstalliert werden müssen, wurde mit der Regierungsverordnung Nr. 3704-r vom 31. Dezember 2020 festgesetzt und umfasst 28 Produkte, die ihrerseits in Gruppen je nach Produktarten, auf welchen sie vorzuinstallieren sind, aufgeteilt sind.

Darüber hinaus muss die Regierung der Russischen Föderation Anforderungen an die Suchmaschine bestimmen, die der Nutzer in der vorinstallierten Software ohne zusätzliche Einstellungen (als Standard-Einstellung) verwenden kann. Die entsprechende Anforderung tritt am 01. Juli 2021 in Kraft.

6. Vertragsschluss über Internet

Der Vertragsschluss im Internet ohne Nutzung der digitalen Unterschrift unterlag lange keiner gesonderten rechtlichen Regelung. Formell stand dem Vertragsschluss aufgrund der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Geschäftsform nichts entgegen, es konnte jedoch Schwierigkeiten bei der Bestätigung des Inhalts des geschlossenen Geschäftes im Streitfall geben, da der Geschäftsinhalt schriftlich nicht festgehalten war.

Mit Rücksicht auf den rapide wachsenden Umfang solcher Geschäfte (insbesondere im B2C-Bereich) war die Frage über das Verfahren des Vertragsschlusses im Internet endlich gesetzlich geregelt. Am 1. Oktober 2019 sind Änderungen zu Art. 160 und 434 ZivilGB RF über die Schriftform des Geschäftes und die Vertragsform in Kraft getreten.

Art. 160 ZivilGB RF wurde um eine Regelung ergänzt, wonach die Schriftform des Geschäftes auch als eingehalten gilt, wenn das Geschäft mit Hilfe von elektronischen Mitteln geschlossen wurde, vorausgesetzt, dass der Inhalt dieses Geschäftes auf einem materiellen Informationsträger festgehalten werden kann. Dabei gilt die Anforderung über das Vorliegen einer Unterschrift als erfüllt, wenn ein beliebiges Verfahren genutzt wurde, das die willenserklärende Person sicher identifizieren lässt (ein spezifisches Verfahren kann durch das Gesetz oder Vereinbarung der Parteien vorgesehen werden). 

Darüber hinaus wurde Art. 434 ZivilGB RF um die Bestimmung über den möglichen Vertragsschluss im Wege der Verfassung eines elektronischen Dokumentes bzw. im Wege des Austausches von elektronischen Dokumenten in Übereinstimmung mit den vorstehend aufgeführten neuen Bestimmungen in Art. 160 ZivilGB RF ergänzt.

In Bezug auf Abschluss von Lizenzverträgen mit Endnutzern der Software für EDV-Anlagen (EULA) gilt bereits seit mehreren Jahren ein vereinfachtes Verfahren. Nach diesem Verfahren werden die Lizenzbedingungen in elektronischer Form aufgeführt, wobei der Beginn der Softwarenutzung durch den Nutzer als seine Zustimmung auf den Vertragsschluss gilt (Art. 1286 Ziff. 5 ZivilGB RF).

7. Einschränkungen in Bezug auf den Erwerb der ausländischen Software

Derzeit gilt in Russland das Verbot auf den Erwerb ausländischer (mit Ausnahme der EAWU-Länder) Software für staatliche und kommunale Bedürfnisse. Dieses Verbot betrifft nicht nur den direkten Software-Erwerb (die Software-Lizenzen), sondern auch andere Arten der Softwaregewährung, einschließlich der Lieferung von Anlagen, auf die die Software im Wege der Vertragserfüllung installiert wird. 

Die jeweilige Regelung betrifft unmittelbar lediglich Ausschreibungen, die von staatlichen und kommunalen Subjekten und staatlichen Organen durchgeführt werden. Viele Unternehmen mit staatlicher Beteiligung wenden aber diese Regelung freiwillig an.  

Für die Anwendung dieses Verbots gelten jedoch zwei Ausnahmen, wenn die ausländische Software für die Sicherung staatlicher und kommunaler Bedürfnisse trotz alledem erworben werden darf, und zwar: (1) wenn im Register russischer Software (bzw. im Register der eurasischen Software) keine Angaben zur erforderlichen Klasse der Software enthalten sind bzw. (2) wenn die Software dieser Klasse in dem jeweiligen Register zwar enthalten ist, jedoch nach ihrer Funktionalität, nach technischen und betrieblichen Eigenschaften nicht den Anforderungen des Auftraggebers entspricht.  

Für die Aufnahme in das Register russischer Software soll das ausschließliche Recht am jeweiligen Produkt weltweit einer russischen Gesellschaft ohne ausländische Mehrheitsbeteiligung (unter 50 Prozent) zustehen. Darüber hinaus muss der Gesamtbetrag der Zahlungen für die Nutzung von Objekten des geistigen Eigentums und/oder Ausführung der Arbeiten (Dienstleistungserbringung) in Hinblick auf die Erarbeitung, Modifizierung und Anpassung der Software an ausländische Personen, deren Vertreter und von ihnen kontrollierte russische Gesellschaften weniger als 30 Prozent der Erlöse des Rechtsinhabers betragen, die von ihm als Vergütung für die Gewährung des Nutzungsrechtes an der Software für das Kalenderjahr erwirtschaftet wurden.

Gleiche Anforderungen gelten auch für die Aufnahme in das Register der eurasischen Software (angepasst an die Zugehörigkeit der Organisationen und/oder Staatsbürger der Mitgliedsstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion).

Derzeit sind im Register der russischen Software über 10.000 und im Register der eurasischen Software über 50 Softwareprodukte eingetragen.

8. Einschränkung bei der Nutzung von Anonymisierungs- und VPN-Diensten

Am 1. November 2017 traten Änderungen zum Informationsgesetz in Kraft, die die Inhaber von Anonymisierungssoftware und VPN-Technologien verpflichteten, die Einhaltung des Zugangsverbots zu bestimmten Informationsressourcen zu gewährleisten.

Roskomnadzor ermittelt nun die Inhaber von VPN- und Anonymisierungsdiensten und benachrichtigt diese über die Notwendigkeit, sich ins Register der gesperrten Internetressourcen einzuloggen. Verweigern die Inhaber von VPN- und Anonymisierungsdiensten die Zusammenarbeit, ist Roskomnadzor berechtigt, den Zugang zu den jeweiligen Diensten zu sperren.

Es ist zu berücksichtigen, dass diese Anforderungen sich nur auf massengenutzte VPN- und Anonymisierungsdienste beziehen. Das Gesetz betrifft nicht solche VPN-Dienste, derer Nutzerkreis durch die VPN-Inhaber im Voraus bestimmt wurde, falls die Nutzer den jeweiligen VPN für eigenen Bedarf in Anspruch nehmen.

Roskomnadzor wendet diese Normen erst seit 2019 an. Dabei wurden Benachrichtigungen über die Notwendigkeit der Registrierung im System der gesperrten Internetressourcen an zehn Dienste verschickt: NordVPN, Hide My Ass!, Hola VPN, Openvpn, VyprVPN, ExpressVPN, TorGuard, IPVanish, Kaspersky Secure Connection und VPN Unlimited. Derzeit sind keine Informationen über ausländische Anbieter vorhanden, die sich bereit erklärt haben, die Anforderungen von Roskomnadzor zu erfüllen.

9. Informationsverbreitung im Internet

Laut Informationsgesetz sind „Organisatoren der Informationsverbreitung im Internet“ Personen, die den Betrieb der Serviceleistung gewährleisten, die für die Entgegennahme, Übertragung, Zustellung oder Verarbeitung elektronischer Mitteilungen der Internetnutzer bestimmt sind. 

Die Organisatoren der Informationsverbreitung werden in ein spezielles Register von Roskomnadzor aufgenommen und müssen die Informationen über Nutzer, von ihnen verschickten Mitteilungen und Dateien aufbewahren sowie diese Daten auf Anfrage von zuständigen Organen bereitstellen, die Schlüssel für die Dekodierung elektronischer Mitteilungen dem FSB übermitteln und eine Reihe sonstiger Pflichten erfüllen. Die Nichterfüllung der jeweiligen Pflichten kann zur Sperrung der entsprechenden Informationsquelle führen. 

Trotz der ursprünglichen Ausrichtung des Gesetzes auf Messenger und soziale Netze unterfallen in der Praxis der Definition „Organisatoren der Informationsverbreitung“ alle Dienste mit der Möglichkeit zum Austausch von Mitteilungen und sonstigen Inhalten unter den Nutzern (z. B. Internetseiten mit Foren). Dies hatte zur Folge, dass die Internetseite eines psychoneurologischen Internats im Register neben den Messengers (WeChat, Threema, Telegram) eingetragen ist.

 Dabei haben sich viele große ausländische Internetressourcen, die unter den Begriff der Organisatoren der Informationsverbreitung fallen (wie z. B. WhatsApp, Facebook, Google-Services), im entsprechenden Register nicht registrieren lassen und bleiben somit von Roskomnadzor unberücksichtigt.

10. Right to be forgotten

Seit Anfang 2016 gelten Bestimmungen des Informationsgesetzes, die das Recht auf Vergessenheit regeln. Gemäß dem Informationsgesetz ist eine beliebige natürliche Person berechtigt, vom Betreiber einer Suchmaschine, die im Internet an Verbraucher in Russland gerichtete Werbung verbreitet, Informationen über sich in den Suchergebnissen zu blockieren. Dazu gehören Informationen, deren Verbreitung die russische Gesetzgebung verletzt, die unzuverlässig oder nicht mehr aktuell sind. Eine Ausnahme stellt die Information zu Verbrechen dar, bei der die Verjährungsfrist für die Haftbarmachung noch nicht abgelaufen ist oder die Strafe noch nicht gelöscht bzw. getilgt wurde.

11. Lokalisierung von personenbezogenen Daten

Seit dem 1. September 2015 gelten in Russland Anforderungen in Bezug auf die Lokalisierung personenbezogener Daten russischer Staatsbürger. Personen, die personenbezogene Daten russischer Staatsbürger über das Internet oder auf andere Weise sammeln, sind verpflichtet, die Verarbeitung solcher Daten (darunter ihre Erfassung, Speicherung, Aktualisierung und Abruf) mit Hilfe von auf dem Gebiet der Russischen Föderation befindlichen Datenbanken sicherzustellen. Die Einführung dieser Anforderung wurde durch die Notwendigkeit des Schutzes der personenbezogenen Daten russischer Staatsbürger gegen evtl. negative Handlungen aus dem Ausland begründet.

Zugleich gelten die Gesetzesbestimmungen weiterhin fort, die die grenzüberschreitende Übertragung der personenbezogenen Daten in ausländische Staaten zulassen. Gemäß den Erläuterungen auf der Webseite vom Ministerium für digitale Entwicklung, Telekommunikation und Massenmedien der Russischen Föderation müssen die Datenbanken mit personenbezogenen Daten auf dem Staatsgebiet Russlands gebildet, aktualisiert und aufbewahrt werden. Nachfolgend darf die Datenbank jedoch ins Ausland übergeben werden. Somit ist die Lokalisierungsanforderung statt des ursprünglich angegebenen Zwecks  auf die Schaffung in Russland der entsprechenden Infrastruktur für die Aufbewahrung der Datenbanken und Sicherstellung des Zugangs zu ihnen seitens russischer staatlicher Behörden gerichtet.

Derzeit ist lediglich ein großer ausländischer Betreiber infolge der Nichteinhaltung von Lokalisierungsanforderungen betroffen: Roskomnadzor hat den Zugang zum Sozialnetz LinkedIn eingeschränkt. Unterdessen haben andere ausländische Internetdienste (Facebook, Twitter etc.) diese Anforderung noch nicht erfüllt, jedoch ohne jegliche negativen Folgen, denn sie haben zu viele Nutzer in Russland.

Im Dezember 2019 wurden Geldstrafen für die Verletzung der Lokalisierungsanforderungen in Bezug auf die personenbezogenen Daten eingeführt. So beträgt die Geldstrafe für juristische Personen von 1 bis 6 Millionen Rubel, für eine wiederholte Verletzung beläuft sich diese Strafe auf 6 bis 18 Millionen Rubel.

12. Regelung der sozialen Netzwerke

Seit dem 1. Februar 2021 sind Änderungen zum Informationsgesetz in Kraft getreten, die die Regelung der sozialen Netze im Fokus haben, deren tägliche Nutzeranzahl in Russland 500 000 übersteigt.

Diese sozialen Netze sind in ein spezielles Register aufzunehmen, wobei ihren Inhabern eine Reihe von Pflichten auferlegt wird: Überwachung von im Sozialnetz veröffentlichten Informationen, Zugangsbeschränkung zu bestimmten Informationen, Veröffentlichung der Nutzungsregelungen, Prüfung von Anträgen der Nutzer der sozialen Netzwerke etc. 

Roskomnadzor stuft die jeweiligen Informationsressourcen als soziales Netzwerk ein und nimmt diese in das Register der sozialen Netzwerke auf. Es sind keine Handlungen seitens des Inhabers des sozialen Netzwerkes erforderlich.

13. Gründe für die Sperrung von Webseiten

Neben den vorstehend aufgeführten Fällen der Sperrung von Webseiten und -diensten bei Verletzungen der Nutzungsregelungen seitens der Inhaber von VPN- und Anonymisierungsdiensten, Organisatoren der Informationsverbreitung und Verarbeiter von personenbezogenen Daten sieht die russische Gesetzgebung auch andere Gründe für die Sperrung von Internetressourcen vor. Nachstehend ist eine kurze Zusammenfassung dieser Gründe aufgeführt.

Das Informationsgesetz sieht die Einführung eines einheitlichen Registers von Domainnamen und Internetadressen vor, die die Webseiten identifizieren lassen, die verbotene Informationen enthalten. Die Aufnahme der Webseiten in dieses Register kann aufgrund eines Gerichtsurteils erfolgen, welches die Verbreitung der jeweiligen Information untersagt, sowie – in Bezug auf bestimmte Informationsarten – aufgrund des Beschlusses einer zuständigen Behörde, z. B. auf Grundlage des Beschlusses des Gerichtsvollziehers über die Einschränkung des Zugangs zur Information, welche die Ehre, die Würde oder den geschäftlichen Ruf einer natürlichen Person bzw. den geschäftlichen Ruf einer juristischen Person verletzt.

Bei der Aufnahme der jeweiligen Webseite in das Register benachrichtigt der Host Provider den Inhaber über die Notwendigkeit der Löschung der Webseite, die die jeweiligen Informationen enthält. Sollte der Inhaber der Webseite diese nicht gelöscht haben, ist der Provider verpflichtet, den Zugang zur Webseite zu sperren. Der Webseiten-Inhaber ist berechtigt, den Beschluss über die Aufnahme der Webseite ins Register auf gerichtlichem Wege anzufechten. 

Am 29. März 2019 sind weitere Änderungen zum Informationsgesetz in Kraft getreten, die das Verfahren der Zugangseinschränkung zu Informationen festsetzen, die offensichtliche Missachtung gegenüber der Gesellschaft, dem Staat, den offiziellen Staatssymbolen, der Verfassung der RF oder staatlichen Machtorganen zum Ausdruck bringen. Das Verfahren der Informationssperre durch Roskomnadzor ist dem vorstehend beschriebenen Verfahren gleich, jedoch darf dieses Verfahren auch durch den Generalstaatsanwalt der RF oder seine Stellvertreter eingeleitet werden.

Ein Sonderverfahren wird auch für die Zugangseinschränkung in Bezug auf Informationen vorgesehen, die unter Verletzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten verbreitet wird. In diesem Fall leitet Roskomnadzor das Verfahren der Zugangseinschränkung erst nach der Anrufung seitens des Rechtsinhabers aufgrund eines in Kraft getretenen Gerichtsurteils ein (z. B. einer einstweiligen Verfügung).  

Bei durch das Gericht festgestellter mehrmaliger gesetzwidriger Veröffentlichung von Informationen, die urheberrechtlich geschützte Objekte enthalten oder Informationen, die den Zugang zu solchen Objekten über Internet gewährleisten (z. B. Torrent-Tracker), wird der Zugang zur jeweiligen Webseite gesperrt, und zwar ohne Möglichkeit, die Sperrung aufzuheben. Die Betreiber der Suchmaschinen werden verpflichtet, die Informationen zu den jeweiligen Domainnamen und Webseiten im Internet nicht mehr anzubieten. Die Kopien der gesperrten Webseiten („Spiegel“) sind durch Roskomnadzor aufgrund des Antrages von Rechtsinhabern und staatlichen Organen ebenfalls zu sperren.

14. Kooperation mit ausländischen Partnern

Der Paternalismus und die allgemeine Neigung zum „Importersatz“ der Novellierungen im russischen IT-Recht in den letzten Jahren geben ausländischen Unternehmen immer häufiger Anlass dazu, die Notwendigkeit der Kooperation mit russischen Partnern zwecks Lokalisierung der jeweiligen Produkte (Serviceleistungen) in Russland zu berücksichtigen. Diese Kooperation kann sowohl aufgrund von Verträgen als auch im Wege der Gründung von Joint Venture-Unternehmen erfolgen.

In den letzten Jahren wurde das Zivilrecht der RF um zahlreiche Bestimmungen ergänzt, die ausländischen Investoren bereits gut bekannt sind und die Regelung der Geschäftsbeziehungen im Rahmen der allgemein gebräuchlichen rechtlichen Konstrukte ermöglichen. Hierzu gehören insbesondere Gesellschafterverträge (analog zu Shareholders Agreement), Optionen, Zusicherungen und Gewährleistungen (Warranties & Representations), Verlustersatz (Indemnities) usw.

Somit ist ein ausländischer Investor, der sich im russischen Rechtsfeld aufhält, in vollem Maße im Stande, die Wahrnehmung seiner Interessen sicherzustellen, selbst wenn er ein Minderheitsbeteiligter des Projektes ist oder aus dem Projekt gemäß dem vorab vereinbarten Szenario austritt.

15. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen der IT-Industrie

Für im IT-Bereich tätige Unternehmen sind verschiedene Mechanismen der staatlichen Unterstützung vorgesehen. 

Besonders gefragt davon sind steuerliche Förderungsmaßnahmen. Leider erstreckt sich die Geltung dieser Vorteile nicht auf Unternehmen, die mit Hilfe von IT-Technologien Werbungs- und Marketinginformationen versenden, Kunden suchen und Geschäfte abschließen. Die folgenden Arten der Steuervorteile können im Falle der Erfüllung durch das Unternehmen bestimmter Voraussetzungen  wie staatliche Akkreditierung als im IT-Bereich tätiges Unternehmen, 90 Prozent der Erlöse aus bestimmten IT-Tätigkeitsarten und durchschnittliche Belegschaftsstärke von mindestens 7 Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden:

  • Herabsetzung der Sätze der Versicherungsbeiträge für die Sozial-, Renten- und Krankenpflichtversicherung (von der maximalen Gesamthöhe 30 Prozent bis auf 7,6 Prozent);
  • Herabsetzung des Gewinnsteuersatzes für Organisationen von der maximalen Gesamthöhe von 20 Prozent auf 3 Prozent für den an den föderalen Haushalt abzuführenden Betrag und auf 0 Prozent für den an den regionalen Haushalt abzuführenden Betrag

Es gilt darüber hinaus eine Reihe von Sondervorteilen in Bezug auf die Mehrwertsteuer (MwSt.):

  • die Überlassung durch ein russisches Unternehmen des ausschließlichen Rechtes an der Software und den Datenbanken, die in das einheitliche Register russischer Software aufgenommen sind, sowie des Nutzungsrechtes daran, gleich aus welchem Grund, wird von der Mehrwertsteuer befreit;
  • die MwSt. in Bezug auf exportierte Dienstleistungen und Arbeiten dürfen zum Abzug entgegengenommen werden, insbesondere in Bezug auf Verträge über die Softwareentwicklung. 

Für Unternehmen, die sich auf den Außenmarkt fokussieren, wird die Inanspruchnahme von Vorteilen, die für Inländer der Sonderwirtschaftszonen vorgesehen sind bzw. mit denen auch andere Arten der Steuervergünstigungen erfolgreich kombiniert werden können, von Interesse sein. 

Bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ist die Verwendung des vereinfachten Besteuerungssystems durch IT-Unternehmen möglich, was die steuerliche Berichterstattung deutlich vereinfacht. 

Als eine der Maßnahmen der außersteuerlichen Beförderung tritt die staatliche Mitfinanzierung von Vorhaben russischer IT-Unternehmen auf, die auf Wettbewerbsgrundlage gewährt wird. Diese Möglichkeit ist insbesondere im Bereich der Entwicklung von digitalen Plattformen und Software für die Schaffung und Entwicklung von hochtechnologischer Industrieproduktion sowie für Projekte der führenden Unternehmen im Bereich von Produkten, Serviceleistungen und Plattformlösungen auf Grundlage von digitalen End-to-End-Lösungen (dazu gehören insbesondere: Big Data, Neurotechnologien und künstliche Intelligenz, Distributed-Ledger-Technologien, industrielles Internet, Komponenten der Robotertechnik und Sensorik, Technologien der virtuellen und ergänzten Realität) vorgesehen. Die Bedingungen der Teilnahme am Wettbewerb beinhalten unter anderem die Anforderungen an die Tätigkeiten und Erfahrungen des Bewerberunternehmens sowie in Bezug auf Fristen und Kostenumfang der Projektumsetzung.
Über SCHNEIDER GROUP

Die SCHNEIDER GROUP unterstützt seit 2003 Unternehmen bei der Expansion nach Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Deutschland, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Österreich, Polen, Russland und Usbekistan und bietet eine breite Palette von Dienstleistungen an: von der Entwicklung von Strategien für einen erfolgreichen Markteintritt bis hin zur Unterstützung bei der Gestaltung oder Optimierung von Buchhaltungs-, Reporting- und Finanzplanungsprozessen und dem Aufbau effizienter IT-Infrastrukturen.

500 Top-Experten kümmern sich um alle ressourcenintensiven Aufgaben, die nicht zum Kerngeschäft gehören, so dass sich unsere Kunden auf die Erreichung ihrer Geschäftsziele konzentrieren können. Wir bieten unsere Dienstleistungen in 11 Ländern an, mit geringfügigen regionalen Unterschieden. Setzen Sie sich über unser Kontaktformular mit uns in Verbindung, um Einzelheiten zu den in Ihrem Zielland verfügbaren Dienstleistungspaketen anzufordern.

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